Dr. Jörg Dräger über die Digitalisierung des Lernens bei einem Benefizessen des Lions-Clubs Bad Arolsen in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels. Von links: Lions-Präsident Dr. Martin von der Emde, Bürgermeister Jürgen van der Horst, Dr. Ute von der Emde, Antje Dräger, Prof. Jörg Dräger, Rosi Radeck und Bernd Radeck, Vorsitzender des Lions-Fördervereins. Foto: Elmar Schulten

Spannender Vortrag beim Lions-Club Bad Arolsen Christian Daniel Rauch zur Zukunft des digitalen Lernens

Bad Arolsen. So, wie der Online-Buchhändler Amazon weiß, welches Buch einen bestimmten Kunden als nächstes interessieren könnte, so weiß auch die moderne Universität, was ihre Studenten als nächstes lernen müssen, um ihre Prüfung zu bestehen.

Die Digitalisierung der Bildung war Thema eines Vortrages, im dem Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung bei einem Benefizessen des Lions-Clubs Bad Arolsen moderne Methoden der Wissensvermittlung schilderte, die in den USA schon von zigtausend Schülern und Studenten genutzt werden.

Zukunft hat begonnen

Vieles von dem, was die rund 130 geladenen Gäste in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels hörten, klang nach Fantasien aus George Orwells Zukunftsroman 1984. Doch die Realität an vielen Schulen und Universitäten hat die Fiktion längst eingeholt.

Dräger berichtete, dass die größte Online-Universität Coursera bereits 17,5 Millionen Studenten unterrichtet, während an allen deutschen Universitäten nur 2,7 Millionen Studenten eingeschrieben sind.

Maßgeschneidertes Lernen

Der amerikanische Online-Nachhilfen-Anbieter Khan Academy verzeichne pro Jahr 580 Millionen Downloads, während in Deutschland 1,2 Millionen Schüler noch herkömmlichen Nachhilfeunterricht genießen. Großrechner mit Algorithmen, ähnlich wie bei Amazon oder Google, werteten heute schon den Lernfortschritt von Schülern im Fach Mathematik tagesgenau aus und stellten für den Folgetag maßgeschneiderte Aufgaben zusammen.

Das ermögliche individuelles Lernen für jeden Schüler, während sich die Lehrer auf wichtige Fördermaßnahmen abseits der reinen Wissenvermittlung konzentrieren könnten.

„Wir wissen nicht, woher der nächste Einstein kommt. Vielleicht lebt sie in einem kleinen Dorf in Afrika.“ 

Daphne Koller, Gründerin der Online-Universität Coursera

Möglich wird das alles durch die gezielte Nutzung von Big Data, die systematische Auswertung von großen Datenmengen: Der Universitätscomputer werte das Lern- und Arbeitstempo am Computer aus, verknüpfe es mit den Daten über den Universitätssport, die Aufenthaltszeit in der Unibibliothek und die nächtlichen Aktivitäten bei Facebook.

Das Ergebnis sind Lernempfehlungen und die Prognose über den voraussichtlichen Studienerfolg eines Studenten, der nächtelang mit seinen Freunden chattet anstatt sich mit Lernliteratur zu beschäftigen.

Berufserfolg vorhersehbar

Besonders beeindruckend in diesem Zusammenhang sind die Möglichkeiten des US-Anbieters Knacks, der Computerspiele entwickelt

hat, die nach 20 Minuten Spielzeit die kognitiven Fähigkeiten und charakterlichen Eigenschaften der Testpersonen auswerten und mit hohen Wahrscheinlichkeiten die Eignung dieser Personen für bestimmte Studiengänge und/oder Berufskarrieren vorhersagen.

Schöne, neue Welt?

All das ist besonders in den USA interessant, wo der Besuch einer Hochschule jedes Jahr mit hohen Studiengebühren erkauft werden muss. Kritiker des digitalen Lernens fürchten, dass die Lernenden zum gläsernen Menschen werden. Man mag sich fragen, was passiert, wenn auch noch all die vielen Bildungsdaten mit Kranken- und Fitnessdaten verknüpft werden.

Dann könnte etwa beim Einstellungsverfahren nicht nur ermittelt werden, welcher Bewerber die beste Besetzung für den Job wäre, sondern auch, in welchem Alter mit einem Burn-out zu rechnen ist.

Wissen für alle

Die Angebote des grenzenlosen Lernens am Computer haben aber auch positive Effekte. So schwärmte Dr. Dräger von einer Demokratisierung und Massifizierung des Lernens: Künftig erhalte nicht nur das Kind aus reichem Hause den Zugang zu Vorlesungen an teuren Hochschulen. Ab sofort könne ein kluger Kopf in einem kleinen Dorf in Afrika den Online-Vorlesungen der US-EliteUniversität Standford folgen und die gleichen Abschlüsse erlangen wie die Studenten auf dem Campus.

 

© Waldeckische Landeszeitung – Elmar Schulten

Big Data entscheidet über Karriere

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