„Lügenpresse“? Krise der Kommunikation

Hr-Intendant Dr. Helmut Reitze (2.v.l.) sprach beim lions-Club in Bad Arolsen. Unser Bild zeigt ihn mit Clubpräsident Ulrich Welteke und Iris Welteke sowie Mdl Armin Schwarz (l.).

HR-Intendant Reitze unternimmt vor Gästen des Bad Arolser Lions-Clubs einen Ausflug nach „Digitalien“

Die tiefgreifende Vertrauenskrise, von der Nachrichten-Medien und andere Institutionen der Demokratie betroffen sind, war zentrales Thema eines Vortrags von Dr. Helmut Reitze bei einem Benefizessen des Lions-Clubs Bad Arolsen vor rund 130 zahlenden Gästen in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels.

Bad Arolsen. Der Intendant des Hessischen Rundfunks war nach BvB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, den Ministerpräsidenten Volker Bouffier, Roland Koch und Hans Eichel ein weiterer prominenter Redner bei der Arolser Lions-Tafel. Der Erlös des Abends ist wie immer für die sozialen Projekte des Lions-Clubs bestimmt. Ein Großteil geht traditionsgemäß an den ökumenischen Tafel-Laden. Außerdem wollen die Lions in diesem Jahr den von der Uni Kassel entwickelten, tragbaren Wasserfilter Paul fördern, der ohne großen Aufwand in Krisenregionen in aller Welt eingesetzt werden kann.

„Mann mit Fliege“

Als „Mann mit Fliege“ ist Dr. Helmut Reitze einem Millionenpublikum bekannt. Der frühere ZDF-Redakteur und Moderator des heute-Journals ist seit 2003 Intendant des Hessischen Rundfunks. Als gebürtiger Nordhesse kämpft er nach eigenem Bekunden dafür, dass die Region Nordhessen beim „südhessischen Rundfunk“ die ihr zustehende Aufmerksamkeit erfährt.

Nach dem Abitur 1971 in Kassel volontierte Reitze bei der HNA und arbeitete dort bis 1974 als Redakteur, unter anderem in Korbach. An der Philipps-Universität Marburg studierte er Volkswirtschaft, machte 1978 sein Diplom und wurde 1980 zum Doktor der politischen Wissenschaften (Dr. rer. pol.) promoviert. 

Mit diesem Hintergrund ist Reitze prädestiniert, sich mit den für viele verstörenden Entwicklungen in der deutschen Gesellschaft und in der internationalen Politik zu beschäftigen. Das von den Nazis geprägte und zuletzt von Pegida-Anhängern verwendete Schimpfwort „Lügenpresse“ lässt nicht nur viele Journalisten ungläubig staunen, sondern ist auch von der Gesellschaft für Deutsche Sprache zum Unwort des Jahres 2014 bestimmt worden. 

Als Kern des Problems machte Dr. Reitze eine gravierende Störung der Kommunikation im Lande aus. Dazu müsse man wissen: „Kommunikation passiert einfach so. Man weiß nie, ob die Botschaft auch so ankommt, wie sie gemeint war. Der Sender sendet mehr oder weniger unbewusst eine Botschaft an den Empfänger, der eine Erwartungshaltung hat. Trifft die Botschaft nicht die Erwartungshaltung, gibt es ein Problem. Wenn alles schief läuft, gibt es am Ende zwei Sender, aber keinen Empfänger.

„Wenige Klicks“

In der Massenkommunikation gebe es besondere Phänomene: In der deutschen Medienlandschaft des vergangenen Jahrhunderts habe es nur wenige Fernsehsender und Zeitungen, aber viele Empfänger gegeben.
Eine Reaktion der Empfänger habe es in dieser Welt allenfalls über Leserbriefe gegeben. 

Doch seit dem Siegeszug des Internets hätten sich die Regeln geändert: Neuerdings gebe es unendlich viele Sender. Und der Rückkanal sei extrem schnell geworden. Mit nur wenigen Klicks entspanne sich nicht selten eine Diskussion unter vielen Tausend Sendern und Empfängern. Damit verbunden sei eine fundamentale Veränderung der Massenkommunikation. 

Reitze schilderte, wie eine Äußerung seines Sohnes zum Nachrichtenkonsum ihn stutzig gemacht habe: „Wenn die Information wichtig für mich ist, wird sie mich erreichen.“ 

Zunächst habe er diesen Satz nicht verstanden. Inzwischen aber sei klar, wie die Information über Facebook und andere soziale Netzwerke funktioniere: Freunde verteilen Nachrichten unter Freunden und sorgen dafür, dass die für diese Gruppe interessanten Nachrichten ankommen. 

Reitze: „So entsteht ein neues Bild der Wirklichkeit in den Köpfen der Menschen.“

500 Jahre habe es gedauert, bis die Menschen ihr Weltbild nicht mehr von reisenden Händlern oder Kirchenbildern prägen ließen, sondern von Büchern und Zeitungen. Nun also das Internet mit seiner virtuellen Welt.
Das Land „Digitalien“ sei fundamental anders als die Wirklichkeit. 

Da sei jeder Einzelne Regisseur seiner eigenen Wirklichkeit. Eindrucksvoll schilderte der HR-Intendant, wie immer mehr abgeschottete Gruppen, seien es Impfgegner oder Pegida-Anhänger, für Argumente Andersdenkender nicht mehr erreichbar seien und auch ihn, einen Repräsentanten des von manchen als „Lügenpresse“ verhassten Systems, mit Schimpftiraden und Schmähbriefen überhäuften. 

Grund für diese Entwicklung sei auf der einen Seite offenbar ein Vertrauensverlust: „Vertrauen und Glaubwürdigkeit muss man sich erarbeiten.

“ Auf der anderen Seite aber seien es die Mechanismen des Internet, die es Anhängern verquerer Ideen sehr leicht mache, Gleichgesinnte zu finden und in angeschlossenen Räumen zu kommunizieren: „Da wird Irrsinn gesellschaftsfähig und diskussionswürdig. … Die nehmen nur noch zur Kenntnis, was dem eigenen Weltbild entspricht.“
Letztes sei auch ein Grund für die Selbstradikalisierung bis dahin völlig angepasster Jugendlicher. Die meisten der jungen Dschihadisten, die sich der Terrororganisation Islamischer Statt anschlössen, seien nicht von irgendwelchen Imamen, sondern von YouTube-Videos und in sich abgeschlossenen Internetforen radikalisiert worden.

„Medienerziehung wichtig“

Diese zu erreichen und von ihrem Tun abzuhalten sei offenkundig schwierig. Reitze: „Ich habe da auch keine Lösung.“ Der HR-Intendant räumte in seinem an Medien- und Selbstkritik nicht zurückhaltenden Vortrag ein, dass er selber kein Eingeborener dieses neuen Landes „Digitalen“ sei und einen gewissen „Migrationshintergrund“ habe.

Umso wichtiger sei Medienerziehung in den Schulen, die digitale Alphabetisierung. Der souveräne und kritische Umgang mit dem Internet und seinen Möglichkeiten sei schließlich eine wichtige Voraussetzung für das Leben und die Demokratie in der modernen Gesellschaft. Journalisten komme dabei die Aufgabe zu, aufklärerisch tätig zu sein. Mit Fakten und möglichst ohne Emotionen.

Von Elmar Schulten

Goethe trägt jetzt Pelz

Dem Dichterfürsten Goethe hat Fotograf ingolf timpner (5.von links) einen Pelzmantel verpasst. Unser Foto mit (v.l.) Dr. rolf luhn, stadtrat Udo Jost, Bürgermeister Jürgen van der Horst, stadträtin katja müller-ashauer, Prof. Bernhard maaz, Udo reuter vom museumsverein und museumsleiterin Dr.Birgit kümmel entstand bei der eröffnung der interventionen „lichtgestalten“ im Christian-Danielrauch-museum.

Ausstellung „Lichtgestalten“ von Ingolf Timpner im Rauch-Museum

Im Jahr 2015 trägt Goethe Pelz: Ingolf Timpners „Lichtgestalten“ sind noch bis zum Jahresende an den Wänden des Rauch-Museums zu entdecken.

Bad Arolsen. Zu Interventionen im Christian-Daniel-Rauch Museum laden das Museum Bad Arolsen und der Museumsverein zeitgenössische Künstler verschiedener Kunstgattungen ein.

Den Anfang machte 2012 das Bildhauerpaar Julia Venske und Gregor Spänle. Eine ihrer bizarren Marmorkreationen scheint sich bis heute durch eine Vitrine mit zwei klassizistischen Skulpturen zu schlängeln.

Zurückhaltender, doch nicht weniger unkonventionell setzen Ingolf Timpners „Lichtgestalten“ diesen Dialog zwischen Alt und Neu fort. Aus den bildhauerischen Werken im Rauch-Museum hat Timpner zwölf Porträtbüsten als Modelle ausgesucht und das getan, was der normale Museumsbesucher tunlichst unterlassen sollte: sie mit Pelz, Jacke und Pullover „eingekleidet“ und fotografiert. Der vermeintlich ehrfürchtige Abstand zu den Ausstellungsstücken ist von dem Künstler fotografisch durchbrochen worden.

Sollte die verspielte Inszenierung vielleicht andeuten, dass das „Museum als Musentempel passé“ ist? Oder ist die Dauerausstellung, mit den Worten Dr. Rolf Luhns von der art regio Sparkassenversicherung, vielmehr ein Versuch, auf Augenhöhe der Kunst eines längst vergangenen Jahrhunderts zu begegnen? – Ein Kompliment Luhns ist den Arolser Museumsmachern um Dr. Birgit Kümmel jedenfalls sicher: Das Haus habe den Kurs gehalten, „immer wieder Überraschendes zu entdecken und Seriosität und Wissenschaftlichkeit nicht mit Verschlafenheit zu begegnen.“ 

Von einer fotografisch geschlagenen Brücke über 200 Jahre Distanz sprach Prof. Dr. Bernhard Maaz, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, in seiner Laudatio. „Wiederholtes Schauen ist vertieftes Schauen“, befand Maaz in seiner launigen Ansprache, sprach᾿s und schlang einer Rauchschen Prinzessinnenbüste seinen Schal um den Nacken. Erheiterung unter den Zuhörern, zufriedenes Lächeln beim Redner, den gewünschten AhaEffekt hervorgekitzelt zu haben. Kleider machen eben Leute – auch das eine Erkenntnis, die die Besucher der sonntäglichen Vernissage anschließend mit auf ihre Entdeckungstour durch den ehemaligen Marstall nahmen. Die musikalische Einstimmung, ebenfalls im Crossover-Verfahren, lieferten German Prentki und César Angeleri.

Von Sandra Simshäuser

Jüngere Stadtgeschichte aufgearbeitet

Lions-Club Bad Arolsen zu Gast im Historicum. Die Führung hat Udo Jost (r.) vom Trägerverein des Historicums.

Lions-Club unterstützt Museumskonzept des Vereins Historicum · Erinnerung für Nachwelt bewahren

Als frühe Förderer des Museums „Historicum – Forum Zeitgeschichte“ haben sich die Mitglieder des Lions-Clubs Bad Arolsen die Museumsräume im ehemaligen Stabsgebäude der ehemaligen Kaserne an der Großen Allee vorstellen lassen.

Bad Arolsen. Die sachkundige Führung übernahm Stadtrat Udo Jost, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Vereins Historicum. Jost erläuterte das Museumskonzept und führte den interessierten Besuchern die Entwicklung der Stadt im 20. Jahrhundert vor Auge. Viele markante Daten lassen sich im Kasernengebäude nachvollziehen, so der Kasernenbau im Kaiserreich, der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die Zwischennutzung der Kaserne während der Weimarer Republik bis hin zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten.

„Finsteres Kapitel“

In den ehemaligen Zellen des Wachgebäudes erinnern die Museumsmacher an den erstarkenden Militarismus, der die Stadt Mitte und Ende der 30er Jahre zu einer Hochburg der SS werden ließ. Eine Zelle ist dem Gedenken an die hier als Arbeitskräfte eingesetzten Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald gewidmet, eine weitere erinnert an die ehemaligen jüdischen Familien, die von den Nationalsozialisten aus der Stadt vertrieben, deportiert und ermordet wurden. 

Doch die Geschichte endet nicht bei diesem finsteren Kapitel: So lässt sich an der Kaserne auch die Entwicklung der jungen Bundesrepublik ablesen, zunächst mit belgischen Soldaten, die als Besatzer kamen, Nato-Partner wurden und als Freunde gingen. Erzählt wird auch die Geschichte der Gastarbeiter, die in den 60er Jahren vor allem aus Portugal nach Arolsen kamen. Und schließlich die Geschichte der Spätaussiedler, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in den Westen zogen. 

Beim Rundgang durch das Museum waren auch die Lücken in den Ausstellungsvitrinen sichtbar, die nach dem Streit im Vorstand des Trägervereins und nach einem Einbruch im Museum entstanden sind. Der Vorstand bemüht sich daher derzeit um eine Nachjustierung des Ausstellungskonzeptes. Jost: „Entfernt wurden vor allem Ausstellungsstücke, die an die SS erinnerten. Wir wollen auf keinen Fall zur Pilgerstätte für Ewiggestrige werden.“

„Forum Zeitgeschichte“

Ziel sei es vielmehr, die jüngere Stadtgeschichte auch für die jüngere Generation greifbar zu machen. Nächstes Projekt sei zum Beispiel die Einordnung der unterschiedlichen Denkmäler in der Innenstadt in einen historischen Kontext. Als „Forum Zeitgeschichte“ biete das Historicum einzelnen Schülern und Schulklassen die Möglichkeit zur historischen Forschung. Die Lions unter Führung ihres Präsidenten Christoph Lange zeigten sich vom Museumskonzept beeindruckt. Die in der Gründungsphase gegebenen Zuschüsse seien offenbar gut angelegt gewesen. Als Beitrag zur Deckung der laufenden Betriebskosten, Miete, Heizung und Strom, im Jahr rund 14 000 Euro, überreichten die Lions eine weitere Spende über 500 Euro.

Von Elmar Schulten

BVB-Boss plaudert aus Nähkästchen

Lions-Tafel mit BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels. V.l. Hans-Joachim Watzke, Jutta und Christoph Lange.

Benefiz-Veranstaltung der Bad Arolser Lions in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels

Rekordverdächtig war die Benefiz-Veranstaltung des Lions-Clubs Bad Arolsen: Der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zog wie ein Magnet nicht nur eingefleischte Fußballfreunde an. 

Bad Arolsen. Echte Liebe. Dieses Motto hat der Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund ausgegeben und zeigt damit, worauf es beim Fußball ankommt: Auf Emotionen, ganz viel Gefühl. – Ebenso wichtig ist es aber, dass die Finanzen stimmen. Und auf dem Gebiet hat BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in den vergangenen Jahren ganze Arbeit geleistet. Bei einer Benefizveranstaltung des Bad Arolser Lions-Clubs gewährt Watzke einen Blick hinter die Kulissen des Profi-Fußballs.

„Stadionlieder für Streicher

Rekordverdächtig. Das ist nicht nur die Leistung der Fußballspieler im Westfalen-Stadion. Rekordverdächtig war auch die Teilnehmerzahl bei der 12. Bad Arolser Lions-Tafel in der Fürstlichen Reitbahn des Welcome-Hotels. 195 zahlende Gäste waren der Einladung von Lions-Präsident Christoph Lange gefolgt und erlebten einen anregenden Abend, bei dem sich längst nicht alles um den Fußball drehte.

Den musikalischen Anstoß machten die vier Stadtstreicher alias Adele Jakumeit, Tabea Knobbe, David Schult und Oliver Mathes mit ihrer Interpretation von Stadion-Liedern für Streichquartett.

So konnte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zur inoffiziellen BVB-Hymne in den bis auf den letzten Platz besetzen Festsaal der Fürstlichen Reitbahn einmarschieren. Auch für ihn ein Wiedersehen mit vielen langjährigen Bekannten und Freunden: Der BVB-Geschäftsführer stammt schließlich aus dem benachbarten Erlinghausen und hat schon mit Arolsern zusammen Fußball gespielt.

Seinen Festvortrag zum Thema „Erfolg kommt nicht von ungefähr“ eröffnete Watzke mit einem filmischen Rückblick auf die Höhen und Tiefen des Vereins. 122 Millionen Euro Schulden bei 305 Millionen Euro Jahresumsatz. Der BVB war nicht mehr Eigentümer seines Westfalen-Stadions.

„Voll auf der Höhe

In dieser Situation erhielt Watzke 2005 den Ruf nach Dortmund. – Heute ist der BVB nicht nur sportlich, sondern auch finanziell wieder auf der Höhe und kann ganz oben an der Spitze mithalten. Die Zahl der Fans, ein wichtiger Faktor im FußballMarketing, konnte von drei Millionen auf 10,5 Millionen gesteigert werden. 

„Da war auch eine Menge Glück dabei“, räumte der ebenso selbstsicher wie bescheiden auftretende Watzke ein. – Man habe die Marke Borussia Dortmund entwickelt mit Begriffen wie innovativ, intensiv und authentisch. – Griffig zusammengefasst in den beiden einfachen Worten: echte Liebe. – Damit verbunden sei auch der Respekt, den der Verein seinen Fans entgegenbringe.

„Das war beängstigend

Die Fernsehbilder von damals – zusammengeschnitten in einem Fünf-Minuten-Film – kommentierte Watzke so: „Das war beängstigend. Erste Meldung Tagesschau. Der BVB steht vor der Insolvenz. – Damals rief mich Reinhard Rauball an. Ich hatte gerade meine Firma in Marsberg gegründet und dachte mir: Gut, dann gehe ich nach Dortmund. Das dauert höchstens vier Wochen.“ Doch weit gefehlt: Am Freitag, dem Tag des Festvortrags bei den Lions, waren es auf den Tag genau neun Jahre, dass Hans-Joachim Watzke nach Dortmund gegangen war. 

Inzwischen habe er den BVBVorsitzenden Rauball natürlich gefragt, warum er damals ausgerechnet ihn, Watzke, angerufen habe. Seitdem wisse er, er war der Einzige, der ans Handy gegangen ist. 

Den Ausweg aus dem Schuldental habe er mit einem konsequenten Sparprogramm erreicht. „Und zwar nicht nach dem Vorbild der meisten Politiker, die meinen, es sei schon viel erreicht, wenn in einem Jahr nur 9,5 Millionen Euro neue Schulden und nicht zehn Millionen gemacht werden.“ Nein, er habe gespart, wie er es bei seiner Oma in Erlinghausen gelernt habe: Die Spielergehälter wurden um 33 Millionen Euro zurückgefahren. Das habe erst mal die Insolvenz abgewendet. Watzke: „2008 wusste ich, dass wir nicht mehr sterben, aber zum Leben war’s auch nicht genug.“ So habe er die Sanierung bis heute nach seinen Bedingungen fortgeführt. Dazu gehöre, dass nie wieder ein Euro Kredit aufgenommen werde, um den sportlichen Erfolg zu finanzieren. 

Das Ergebnis war die Meisterschaft 2011 mit acht Spielern, die jünger waren als 22 Jahre. Das Stadion gehört längst wieder dem Verein. Und der spielt in der Champions League mit. Watzke zollte auch dem größten Konkurrenten, dem FC Bayern, Respekt: Die sind Marktführer. Ein großartiger Verein. Die können auch 100 Millionen Euro mehr an Spielergehältern zahlen als wir. – Wenn dann der FC Bayern Meister wird, ist das die Normalität. Wenn dann aber der FC Bayern die Champions League gewinnt, dann ist das großartig, weil es international noch ein paar Clubs gibt, die noch mehr zahlen können.“ 

In Spanien und England gebe es noch zwei, drei Clubs, die auf dem gleichen Level spielten wie der FC Bayern. Watzke: „Wenn ich Vorstandsvorsitzender in München wäre, würde ich es genauso machen.“ Borussia Dortmund gebe sich alle Mühe, den Abstand etwas geringer zu halten.

„Soziales Problem

Viel Zeit nahm sich Watzke anschließend, um die vielen Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Dabei ging es unter anderem um Financial Fairplay auf internationaler Ebene und um Fan-Ausschreitungen. Watzkes Urteil ganz eindeutig: „Der Fußball hat kein Gewaltproblem, sondern die Gesellschaft hat ein Gewaltproblem.“ Gewalt gebe es in der U-Bahn und anderswo. Das könne der Fußball nicht lösen. Der BVB habe aber immerhin fünf besonders ausgebildete Sozialpädagogen als Fanbetreuer.

 

„Der beste Trainer

Zum Abschluss noch ein Wort zu Watzkes enger persönlicher Freundschaft zu BVB-Trainer Jürgen Klopp: „Der beste Trainer, den es für den BVB gibt. Wir ziehen das bis 2018 durch. Jürgen Klopp war für den BVB so etwas wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl.“ 

Der Lions-Club Bad Arolsen verwendet die Einnahmen aus der Benefizveranstaltung für seine vielfältigen sozialen und kulturellen Projekte in Nordwaldeck. Der Großteil ist für den Tafelladen des ökumenischen Hilfsprojektes „Arolser Tafel“ bestimmt. Die 34 Bad Arolser Lions gehören der weltweiten Organisation der Lions mit insgesamt rund 1,35 Millionen Mitgliedern in 46 000 Clubs an.

Von Elmar Schulten

Mal zackig, ulkig und sinfonisch

Die Saxofon-Gruppe des Heeresmusikkorps 2 mit (rechts) Solistin Oberfeldwebel Lisa Hitzing.

Volles Haus beim Benefizkonzert des Lions-Clubs mit dem Heeresmusikkorps 2

Nach dem fulminanten sinfonischen Klangerlebnis ein Ausflug in die Welt des Ragtime und schließlich zu den Schlagergrößen der ZDF-Hitparade. – Mit so viel musikalischer Vielfalt überraschte das Heeresmusikkorps 2 die Besucher des Lions-Benefizkonzertes.

Bad Arolsen-Mengeringhausen. Den Radetzkymarsch, den die meisten wohl als typischen Bestandteil im Repertoire eines Militärorchesters vermuten, gab es erst in der Zugabe. 
Den größten Teil des sehr gut besuchten Benefizkonzertes in der Stadthalle Mengeringhausen machten sinfonische Werke aus, so der Wilhelm-Tell-Galopp aus der Rossini-Oper und die Ouvertüre Solennelle, die Peter Tschaikowsky 1812 unter dem Eindruck von Napoleons verheerendem Russlandfeldzug schrieb.
Dazu lieferte Dirigent Oberstleutnant Reinhard Kiauka auf pfiffige Weise sehr plastische Erläuterungen, sprach von Musketensalven, Kanonendonner, dargestellt von Bläsern, die in gewaltigem Fortissimo aus allen Rohren donnern.
Welch geniale Solisten zum Heeresmusikkorps gehören, wurde beim Konzert für vier Waldhörner und Orchester von Heinrich Hübler deutlich: Mal sanft gedämpft, dann fanfarenartig donnernd ließen die Hornisten eine Jagdszene in drei Sätzen lebendig werden.
Als Virtuose am Xylofon erwies sich Oberfeldwebel Jan Schröter beim rasenden Wilhelm-TellGalopp, der dann aber scherzhaft im Zirkus-Renz-Lauf und in der Carmen-Ouvertüre endete. Mit der Spielzeug-Armbrust brachte der Kapellmeister seinen Mann am Xylofon schließlich wieder zur Räson.

Nach der Pause ging es mit dem Fucik-Marsch „Die Regimentskinder“ zackig weiter, bevor dann das Korps ein Medley mit den schönsten Melodien von Harry Belafonte in Rumba- und ChaCha-Rhythmen darbot.
Stimmungsvoller Höhepunkt des offiziellen Programms war eine Hommage an die ZDF-Hitparade, bei der drei Musiker des Heeresmusikkorps in immer neue Kostüme und Rollen schlüpften. Erstaunlich, wie talentiert Stabsfeldwebel Udo Seifert sowohl Schlagerstars wie Bernd Clüver, Roberto Blanco und Roy Black als auch Diven wie Katja Ebstein darzustellen wusste.
Donnernd laut wurde es noch einmal in der Zugabe, als zu Ehren des 102-jährigen ehemaligen Kapellmeisters Kurt Garbisch dessen Lieblingsmarsch „Deutschlands Ruhm“ und „Alte Kameraden“ erklangen.
Der Erlös des Abends ist, wie Lions-Präsident Dr. Jochen Gottschalk betonte, für die vielfältige Arbeit des Bathildisheimes bestimmt.

Von Elmar Schulten

Ministerpräsident beim Lions Club Bad Arolsen

Ministerpräsident Volker Bouffier (2.v.r.) sprach gestern Abend beim Lions Club Bad Arolsen: (v.l.) Lions-Präsident Dr. Jochen Gottschalk, Bürgermeister Jürgen van der Horst und rechts Landrat Dr. Reinhard Kubat.

Ministerpräsident Volker Bouffier spricht beim Lions Club Bad Arolsen

Mehr Mut zu entschlossenem Handeln und mehr Beteiligung der Bürger forderte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier gestern Abend bei der Arolser Tafel des Lions Clubs Bad Arolsen.

Bad Arolsen. Die Deutschen, speziell auch die Hessen, haben nach Auffassung des CDUPolitikers allen Grund, auf die aktuelle wirtschaftliche Situation stolz zu sein. Einst als Armenhaus gescholten, habe sich Nordhessen zu einer Boom-Region entwickelt. In Frankfurt habe sich mit dem Flughafen und den umliegenden Dienstleistern die größte Betriebsstätte Europas entwickelt, die trotz der ernst zu nehmenden Klagen über Fluglärm weiterentwickelt werden müsse. Noch nie zuvor habe es so viele Lehrer bei allerdings immer weniger Schülern gegeben und so hohe Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Doch von Beifall sei wenig zu hören, klagte Bouffier vor den fast 200 Gästen. Der Ministerpräsident spannte den Bogen bis hin zur Rettung der Währungsunion in Europa. Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestoßene Fiskalpakt und die Hilfen für überschuldete Länder seien der einzige Ausweg. Deutschland profitiere von der gemeinsamen Währung, Hessen sei führend beim Export und daher abhängig vom Euro. Ausgerechnet Deutschland und Frankreich seien aber die Länder gewesen, die als erste die Defizit-Obergrenze von drei Prozent überschritten hätten. Deutschland sei „zu groß, um sich hinter Europa zu verstecken, und zu klein, um die Europäische Union hegemonial zu beherrschen“, sagte Bouffier. Eine Führungsrolle könnten aber andere Länder nicht ausüben. Das „Projekt Europa“ ist nach Auffassung von Bouffier für das reiche Deutschland mit seiner schrumpfenden Bevölkerung für die zukünftige Entwicklung wichtig, etwa wenn es um die gemeinsamen Bemühungen um den Abbau von Handelsschranken geht.

„Reichste Generation“

„Hier sitzt die reichste Generation, die jemals hier gelebt hat. Und die, die die meisten Schulden gemacht hat“, stellte der Ministerpräsident fest und betonte die Notwendigkeit der inzwischen durch 70 Prozent der hessischen Wähler in der Landesverfassung festgeschriebenen Schuldenbremse. Freilich gebe es nicht für alle Sparmaßnahmen Zustimmung: „Eine Republik der Besitzstandswahrer, die nichts geändert haben will, wird die Zukunft nicht gewinnen können“, warnte der prominente Gast der Lions-Freunde. „Wir setzen auf die Bürgergesellschaft, in der nicht jedes Mal nach dem Staat gerufen wird. Der Staat kann und darf nicht alles“, rief Bouffier zu aktiver Mitgestaltung im Gemeinwesen auf. Bouffier äußerte sich besorgt über die zunehmende Ferne der Bürger von der Politik und eine erschreckend niedrige Wahlbeteiligung. Nicht verwirrte Wutbürger und Kritikaster, sondern Mutbürger wie die Lions. Der Lions Club hatte in Verbindung mit der Rede des Ministerpräsidenten zu der inzwischen elften „Arolser Tafel“ in die Fürstliche Reitbahn des Welcome-Hotels eingeladen. Zu der Benefizveranstaltung, deren Erlös für soziale Zwecke aufgebracht wird, begrüßte Präsident Dr. Jochen Gottschalk unter anderem Wittekind Fürst zu Waldeck und Pyrmont sowie Landrat Dr. Reinhard Kubat und Bürgermeister Jürgen van der Horst. Er dankte auch dem Welcome-Hotel für dessen Unterstützung der Zusammenkunft. Musikalisch wurden die Besucher in der Reitbahn auf das Ereignis durch das Orchester der Christian-Rauch-Schule unter Leitung von Rainer Böttcher eingestimmt.

Von Armin Hass